Zukunftsthemen im bayerisch-tschechischen Wirtschaftsraum

60 Milliarden Euro   gemeinsame Wirtschaftsleistung, der Sprung der Innovationstechnologie von der Hochschule in die KMUs und glänzende Beziehungen: Das kennzeichnet das gemeinsame Wirtschaften in der Oberpfalz und der Region Pilsen. Doch was braucht die deutsch-tschechische Wirtschaft heute im Grenzraum? Was macht sie momentan besonders stark? Und wo sehen Experten aktuelle Herausforderungen?

Grenzüberschreitende Wirtschaftsräume gibt es in Europa mittlerweile einige: Die Greater Kopenhagen Area, die sich über 85 Kommunen im Osten Dänemarks und im Süden Schwedens erstreckt, etwa gilt derzeit als Vorbild. Doch auch der bayerisch-tschechische Grenzraum kann sich sehen lassen. Schließlich realisiert er mit 60 Milliarden Euro jährlich eine Wirtschaftsleistung, die über der von kleineren Ländern wie Slowenien oder Litauen liegt. Was macht die erfolgreiche Grenzregion genau aus? Und wie misst man ihren Erfolg? Anzeichen für eine besondere „Grenzkonjunktur“ gibt es einige.

Arbeitsvolumen signalisiert wirtschaftliche Aktivität

Eines davon ist das Arbeitsvolumen derjenigen, die im bayerisch-tschechischen Wirtschaftsraum tätig sind. Das Arbeitsvolumen steigt ganz allgemein seit 2005 im Bundesdurchschnitt wieder leicht kontinuierlich an und gilt stärker als etwa die Arbeitslosenquote als Indikator für die wirtschaftliche Aktivität einer Region. Ein Blick in den „Deutschlandatlas“ des Bundes mit dem Fokus auf Bayern/Tschechien zeigt in den Grenzlandkreisen Tirschenreuth und Neustadt an der Waldnaab einen überdurchschnittlichen Anstieg des Arbeitsvolumens zwischen 2014 und 2020.

So gab es im Landkreis Tirschenreuth ein Plus von 3,83 Prozent beim Arbeitsvolumen, im Landkreis Neustadt an der Waldnaab waren es 2,64 Prozent. Für die Landkreise Schwandorf und Cham lässt sich dies zwar so nicht bestätigen, aber der Rückgang dort ist entweder sehr gering oder unterdurchschnittlich: Cham verzeichnet ein kaum messbares Minus von 0,08 Prozent und Schwandorf eines in Höhe von 1,55 Prozent. Positiv interpretieren lässt sich dies dann, wenn man einen Vergleich mit den grenzferneren Landkreisen anstellt: Im Landkreis Bayreuth etwa verringerte sich das Arbeitsvolumen zwischen 2014 und 2020 um 4,73 Prozent, in Amberg-Sulzbach um 2,82 Prozent.

Drei mal so viele ausländische Fachkräfte

Das Arbeitsvolumen ist zudem nicht die einzige Größe, an der sich die wirtschaftliche Stärke von Regionen ablesen lässt, die es verstehen, Wirtschaft über die Grenze zu organisieren. Auch die Gründungsquote kann ein Indiz sein, sie ist in der Oberpfalz höher als etwa in Oberfranken und liegt laut Eurostat zwischen sechs und 7,5 Prozent. Auf tschechischer Seite fällt insbesondere eine niedrigere Arbeitslosenquote in Böhmen im Vergleich zum Rest des Landes auf, die unter 2,5 Prozent liegt. Auch die bayerischen Grenzlandkreise liegen unter dem bundesweiten und bayernweiten Durchschnitt in puncto Arbeitslosigkeit.

Im Hinblick auf die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ergibt sich folgendes Bild: Während sich diese bayernweit in den Jahren 2014 bis 2024 zwar mehr als verdoppelt hat (+120 Prozent), hat sie sich in der Grenzregion in der selben Zeit etwa verdreifacht. Natürlich handelt es sich dabei nicht ausschließlich um Grenzpendlerinnen und -pendler aus Tschechien, doch ihr Anteil dürfte sehr hoch sein. Analysiert man die Qualifikationen der ausländischen Beschäftigten, so fällt auf, dass in den Grenzlandkreisen insbesondere die „Fachkraft“ überdurchschnittlich oft vertreten ist.

Starke Industrie als zweischneidiges Schwert

Das zeigt, dass Tschechien für Bayern längst nicht mehr vor allem im Helfersegment als Mitarbeiterreservoir dient, sondern in vielen Bereichen qualifizierte Kräfte zum Zuge kommen. Für die Landkreise Neustadt an der Waldnaab und Schwandorf lässt sich etwa in der höchsten Qualifikationsebene („Experte“) eine überdurchschnittlich hohe relative Zunahme an ausländischen Kräften ablesen. Außerdem spielt ganz generell der hochqualifizierte Sektor eine immer größere Rolle in der bayerisch-tschechischen Zusammenarbeit. Die Grenzregionen pushen sich gegenseitig im Hinblick auf die Qualifikation ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Tschechien dient dabei in der Oberpfalz ebenso als Innovationsbeförderer wie umgekehrt. Diese Rolle wird in Zukunft umso wichtiger werden.

Denn die Oberpfalz ist derzeit mit 126 Industriebeschäftigten je 1.000 Einwohnern eine der am stärksten industriell geprägten Regionen Deutschlands, in Bayern liegt sie ganz vorn. Was lange Zeit als Stärke galt, wird in der aktuellen konjunkturellen Lage aber womöglich zur größten Herausforderung: Denn jeder zehnte Beschäftige in der Oberpfälzer Industrie baut Autos oder Autoteile. Das bedeutet, dass die Region in dieser Branche einen Strukturwandel erleben wird.

Die Chancen, diesen erfolgreich zu meistern, sind indes groß – vor allem auch durch die innovationsbefördernde grenzüberschreitende Kooperation. Denn insbesondere mit der Westböhmischen Universität in Pilsen gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Projekten, die frisches Forschungs-Know-how zum Nulltarif zu den KMU in der Oberpfalz und in der Region Pilsen bringen. Diese Kooperationen weiter auszubauen und neue Akteure zu gewinnen, wird in Zukunft mehr denn je zum erfolgskritischen Faktor für eine prosperierende Grenzkonjunktur.

Text: Alexandra Buba

Wirtschaftliche Stärke, eine hohe Gründungsquote und eine niedrige Arbeitslosenquote – das zeigt auch die neue Infokarte Oberpfalz/Pilsen:

Grafik: Tereza Müller (eigene Grafik)

Quellen: Regierung der Oberpfalz / IHK für Oberpfalz/Kelheim / Bezirk Oberpfalz / Bayerisches Landesamt für Statistik / Český statistický úřad

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